Evolution: Aus den Kloaken der Fische sind unsere Finger entstanden

Wie sind die Finger im Laufe der Evolution entstanden? © Laurent Duclos

Die Finger bei Wirbeltieren entstanden vor etwa 380 Millionen Jahren, als der Übergang von den Fischen mit fleischigen Beinen zu den Tetrapoden stattfand - ein wichtiger Wendepunkt in der Evolution. Neuere Forschungen, insbesondere die von der Universität Genf (UNIGE) zusammen mit der EPFL, dem Collège de France, Harvard und Chicago geleiteten Forschungen, offenbaren völlig neue Schlüsselpunkte zu ihrem Ursprung.

Genetischer Ursprung und evolutionäres Recycling

Die Finger sind nicht auf einer völlig neuen genetischen Basis entstanden, sondern stammen aus der "Wiederverwendung" (Kooptation) einer alten Region des Fischgenoms, die ursprünglich an der Bildung der Kloake (dem Endorgan des Verdauungs-, Ausscheidungs- und Fortpflanzungssystems) beteiligt war.

Dieser Bereich des Genoms, die sogenannte regulatorische Landschaft, steuert die Aktivierung der Hox-Gene, die als echte "Architektengene" bestimmen, wo und wie sich die Körpersegmente bilden sollen.

Bei der Untersuchung und Bearbeitung des Fischgenoms stellten die Wissenschaftler fest, dass die gezielte Deletion dieses Landschaftsregulators zu einem Verlust der Expression in der Kloake, nicht aber in den Flossen führt. Dies deutet darauf hin, dass dieser Mechanismus, der in Fischen vorkommt, bei Landwirbeltieren wiederverwendet wurde, um die Finger zu erzeugen.

Die Gemeinsamkeit: Finger und Kloake sind terminale Strukturen (Enden von Gliedmaßen oder Organen), aufgrund dieses evolutionären Recyclings laut der in Nature veröffentlichten Studie.

Expression du gène Hox13 dans le poisson zèbre (Duboule et al., Nature, 2025) © Brent Hawkins
Expression des Hox13-Gens im Zebrafisch (Duboule et al., Nature, 2025) © Brent Hawkins

Fossilien: Beweise für den Übergang

380 Millionen Jahre alte fossile Fische wie Elpistostege watsoni und andere Sarcopterygii zeigen bereits "Finger" (Phalangen) im Inneren ihrer Flossen.

Diese primitiven Finger wurden verwendet, um das Gewicht des Fisches in flachem Wasser oder bei kurzen Bewegungen außerhalb des Wassers zu tragen.

Die ersten Tetrapoden (Ichthyostega, Acanthostega) hatten Gliedmaßen mit 7 bis 8 Fingern, die noch wie Schwimmflügel aussahen.

Zusammenfassung

Das Auftreten der Finger ist also keine chirurgische "Erfindung" mit dem Festland, sondern das Ergebnis eines evolutionären Recyclings einer angestammten Genomregion, die ursprünglich für die Terminierung anderer Strukturen wie der Kloake genutzt wurde. Diese Zweckentfremdung in Verbindung mit der Strukturierung der Gliedmaßen bei Fischen mit fleischigen Flossen ermöglichte es unseren entfernten Vorfahren, sich allmählich an das Leben an Land anzupassen.

Une raison de plus pour respecter les poissons.
Ein Grund mehr, die Fische zu respektieren.

Dieses Ergebnis verdeutlicht den Einfallsreichtum der Evolution: Anstatt etwas von Grund auf neu zu erschaffen, recycelt sie Bestehendes und passt es ständig an neue Bedürfnisse an.

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